Erinnerte Gemeinschaften: Zwangs- und Zufallsgemeinschaften des Konzentrationslagers und DP-Camps Bergen-Belsen vom Ende des Krieges bis in die 1970er Jahre (2009-2011; abgeschlossen)
Vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur gefördertes Kooperationsprojekt des Historischen Seminars der Leibniz Universität Hannover (Prof. Dr. Claus Füllberg-Stolberg) und der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Celle (PD Dr. Habbo Knoch). Das Projekt wird aus Mitteln des Programms PRO Niedersachsen des MWK gefördert. Der Förderzeitraum beträgt zwei Jahre vom 01.09.2009 bis 31.08.2011; die Fördersumme beläuft sich auf 200.000 €.
Im Projekt „Erinnerte Gemeinschaften: Zwangs- und Zufallsgemeinschaften des Konzentrationslagers und DP-Camps Bergen-Belsen seit dem Kriegsende“ werden zwei wesentliche Themenkomplexe bearbeitet. Zum einen wird am Beispiel Bergen-Belsens der Blick auf die Bedeutung sozialer Formationen und Gruppenbildungen für das Überleben gerichtet, zum anderen werden für unterschiedliche Verfolgtengruppen die Wege aus dem Lager im unmittelbaren Zusammenhang mit der Befreiung und in der Folgezeit untersucht. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich die einzelnen Verfolgtengruppen jeweils als Zwangs- und Schicksalsgemeinschaften konstituierten.
Von zentraler Bedeutung für das Projekt ist die Frage, wie sich biografisch-soziale Prägungen und deren Konfrontationen mit Zwangs- und Zufallsgemeinschaften in der Lager- und der Post-Lagersituation auswirken. In drei Einzelstudien dieses Projektes werden zwei bislang vernachlässigte Aspekte der Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager und des KZ Bergen-Belsen zusammengebracht: die Bedeutung der Kriegsendphase für die Auflösung der Lagerstrukturen sowie die Rolle von Gruppenprägungen und (zufälligen oder erzwungenen) Gruppenerfahrungen für das Überstehen, die Verarbeitung und die Erinnerung der Lagererfahrungen. Dieser Zusammenhang soll vor allem mit Blick auf die Voraussetzungen für die soziale wie politische Integration und Reintegration in die alten bzw. neuen Heimaten untersucht werden.
Förderer: Pro Niedersachsen, MWK
Nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“?: Konstruktion, gesellschaftliche Wirkungsmacht und Erinnerung vor Ort
"Volksgemeinschaft“ zählte zu den meistgenutzten politischen Schlüsselbegriffen der Weimarer Zeit. Bündelte diese Parole bereits vor 1933 die nationalsozialistische Propaganda überaus erfolgreich, so entwickelte sie sich nach 1933 zum zentralen Moment der NS-Ideologie. Das auf zunächst drei Jahre angelegte Forschungsprojekt "Nationalsozialistische ‚Volksgemeinschaft’?: Konstruktion, gesellschaftliche Wirkungsmacht und Erinnerung vor Ort“ wird mit rund 1,2 Millionen Euro aus dem Niedersächsischen Vorab der VolkswagenStiftung gefördert.
Beteiligt am niedersächsischen Forschungskolleg und Verbundprojekt sind apl. Prof. Detlef Schmiechen–Ackermann (Sprecher) und apl. Prof. Karl-Heinz Schneider, beide Leibniz Universität Hannover, Prof. Dietmar von Reeken, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, PD Dr. Habbo Knoch, Georg-August-Universität Göttingen, sowie Prof. Jochen Oltmer und Hans-Werner Niemann, Universität Osnabrück, die das Forschungsvorhaben gemeinsam konzipiert und beantragt haben.
Volksgemeinschaft steht für eine erfolgreiche strategische Ausrichtung der Nationalsozialisten, denen es mit Hilfe dieser Parole gelang, große Teile der deutschen Gesellschaft für ihre Ideologie zu begeistern. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Forschungsprojekt gehen der Aussage nach, dass die Volksgemeinschaft - wie in früheren Forschungen angenommen – nicht nur ein Mythos der NS-Propaganda war. Sie untersuchen deshalb auch, welche konkreten Ansatzpunkte und Konstruktionen es im Alltag der NS-Zeit gegeben haben könnte, um aus der Propagandaformel "Volksgemeinschaft“ eine soziale Verheißung oder gar soziale Realität zu schaffen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen an exemplarischen und vergleichend angelegten Fallstudien, mit welchen Instrumenten die Volksgemeinschaft in der Bevölkerung propagiert wurde. Welche konkreten inhaltlichen Bezüge spielten eine besondere Rolle – abhängig von unterschiedlichen sozialen, konfessionellen, ökonomischen und lokalspezifischen Rahmenbedingungen? Auch die Erhebung von Indizien für den Erfolg oder Misserfolg der Politik zur Konstruktion und Aufrechterhaltung der Volksgemeinschaft stehen im Zentrum der Forschung, ebenso wie die Frage, in welchem Maße es nach 1945 zu einem Fortwirken, einer bewussten Tradierung oder im Gegensatz dazu, zu einer kritischen Erinnerung oder Dekonstruktion der nationalsozialistischen Idee der Volksgemeinschaft in der neu gegründeten Bundesrepublik kam. Die Untersuchungen beziehen sich auf ausgewählte niedersächsische Städte oder Regionen wie beispielsweise Hannover, Oldenburg, Lüneburg, Salzgitter oder das Emsland.
Förderer: Niedersächsisches Vorab der Volkswagen Stiftung
Versehrte Körper. Fotografische Repräsentationen von Gewalt im 19. und 20. Jahrhundert (laufend)
Im Rahmen dieses Projekts wird untersucht, wie in den modernen Massenmedien, vor allem durch die Fotografie und ihre Gebrauchsweisen, Bilder von Gewalt popularisiert und politisiert werden. Mit längeren Vorläufern im Kolonialismus, aber insbesondere im Anschluß an den Ersten Weltkrieg entwickelte sich in der europäischen – und in Referenz dazu – auch in der amerikanischen Öffentlichkeit eine Bildsprache der zerstörten Körper sowie eine visuelle Verdrängung versehrter Körper, die in unterschiedlicher Weise politisch aufgeladen wurden. Analysiert werden Zeigbarkeitscodes physischer Gewalt, die zum einen den Spielraum politischer Instrumentalisierungen, Provokationen und Gegenreaktionen bedingen und widerspiegeln, sich zum anderen aber auch in die populäre Bildkultur etwa des Kinos übertragen haben. Der Medialisierung von Gewalt kommt dabei eine zentrale Rolle in der Entstehung der modernen Sozialfigur des „Zivilisten“ zu, indem die Überschreitung der Grenzen des Schlachtfelds und die Verletzbarkeit von Gesellschaften visuell bewußt gemacht wird.
Förderer: Remarque Institute, New York University (2003)
Bürgerlicher Verkehr und städtischer Raum. Großstadthotels in Berlin, London und New York 1880-1930 (Habilitation; abgeschlossen 2008)
Das Habilitationsprojekt behandelt die Entstehung und Entwicklung des Grandhotels als Phänomen der Urbanisierung um 1900. Großstädtische Luxushotels waren in dieser Phase Schrittmacher und Prismen der urbanen Modernität. Die hier praktizierten und ausgeformten sozialen Stile waren maßgeblicher Bestandteil einer Umwidmung von Vergesellschaftungsformen im Übergang von der aristokratisch-bürgerlichen Doppelgesellschaft des 19. zur demokratischen Massengesellschaft des 20. Jahrhunderts.
Zunächst vor allem Kristallisationspunkte einer urbanen „High Society“ verkörperten Grandhotels den von dieser geprägten Luxus, in dem sich aristokratische Traditionen mit der Stilsuche großbürgerlicher Aufsteiger verbanden. Mit dem Aufstieg der Grandhotels zu selbständigen Vergnügungsorten in der City-Topographie, zu Reisezielen und zu medialen Sehnsuchtsorten ging eine soziale Öffnung einher, die sie in den zwanziger Jahren zu Leitorten der großstädtischen Erlebniskultur werden ließ.
An der Schnittstelle von Stadt-, Bürgertums- und Konsumgeschichte werden Muster der sozialen Topographie, Kommunikationsprozesse und soziale Praktiken sowie Repräsentationen der auch mit dem Raum der Hotels neu entstehenden Oberschichten untersucht. Das Grandhotel wird dabei als Projektionsfeld sozialer Phantasien, als Brennpunkt der Transformationsprozesse innerhalb der (städtischen) Oberschichten sowie als Katalysator der Modernisierung von Konsumformen in den Blick genommen.
Seine Doppelfunktion als luxuriöse Unterkunft und Ort einheimischer Festivitäten verweist auf die Verbindung von lokaler Bindung und translokaler Mobilität als Parallelphänomenen der modernen Massengesellschaft, in der sich das Großstadthotel als spezifisches Feld moderner Vergesellschaftungsformen etabliert. Unter Einbeziehung der innereuropäischen und transatlantischen Transferprozesse wird der Ausdifferenzierung von Konsumstilen als Medium der sozialen Differenzierung im Zeitalter der „Massengesellschaft“ besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
In der Analyse des Wechselspiels von Raum, Praxis und Imagination soll jener Anteil näher bestimmt werden, den die Kultur der Grandhotels für den Übergang von sich endogen definierenden, aus der Binnenkultur ihrer Vergesellschaftung wertsetzenden Gruppen wie „Adeligen“ und „Bürgern“ zu einer im öffentlichen und medialen Raum gerahmten, kommerziell überformten und in ihren Verhaltensformen von außen gesteuerten Oberschicht zukam.
Förderer: DFG (2006/2007)
Die Tat als Bild. Fotografie und Holocaust in der westdeutschen Erinnerungskultur (Dissertation; abgeschlossen 1999)
Im Rahmen des Dissertationsprojektes, das von der VW-Stiftung als Teil eines Projekts zu „Tat und Bild. Repräsentation und Wirklichkeit des Holocaust“ 1998/1999 gefördert und seit 2001 als Buch bei der Hamburger Edition vorliegt, wurde die fotografische Repräsentation der NS-Verbrechen vor und insbesondere nach 1945 in verschiedenen Medien (u.a. Illustrierte, Zeitungen, Bücher, Ausstellungen) untersucht. Zugleich ging es um die Rezeption und Aneignung dieser Fotografien im Rahmen der Sagbarkeits- und Zeigbarkeitsregeln der westdeutschen Erinnerungskultur, die in Bezug zu ostdeutschen, osteuropäischen und israelischen Repräsentationen gesetzt wurde. Im Ergebnis revidierte das Projekt die These einer „Verdrängung“ der NS-Zeit, indem die vielfältigen Formen der Vergangenheitsverwandlung, die unmittelbar 1945 einsetzten und in den 1950er Jahren andauerten (u.a. in der populären Kriegserinnerung, dem Volkstrauertag oder der Rückkehr der NS-Täter), als Voraussetzung und Prägephase der späteren Bilder der Tat deutlich gemacht und die Formen des sich um 1960 herausbildenden Erinnerungskanons vor diesem Hintergrund differenzierter als bisher aufgewiesen und erklärt werden konnten.
Förderer: VW-Stiftung; Hamburger Institut für Sozialforschung